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Hinduismus
Aus Wikipedia: Der Hinduismus ist mit etwa 900 Millionen Anhängern (etwa 13,26 % der Welt- bevölkerung) nach dem Christentum (rund 2,26 Milliarden) und dem Islam (rund 1,57 Milliarden) die drittgrößte Religion der Erde. Seinen Ursprung hat er in Indien.Anhänger dieser Weltanschauung werden Hindus genannt. Genau genommen besteht der Hinduismus aus verschiedenen Religionen, die sich teilweise überlagern und gegenseitig beeinflussen, in heiligen Schriften, Glaubenslehren, der Götterwelt und Ritualen aber Unterschiede aufweisen. Der Hinduismus kennt monotheistische, dualistische und polytheistische Richtungen, Gottheiten erscheinen als persönliche oder unpersönliche Wesen, der Priesterstand kann sowohl dem Brahmanentum als auch niedrigeren Kasten angehören, teilweise besteht er auch aus sog. Unberührbaren. Der Begriff Hinduismus repräsentiert einen Komplex religiöser Traditionen und sozialer Phänomene, die teilweise sehr unterschiedliche sozio-ökonomische, historische und geographische Bedingungen haben. Es liegt ein gemeinsamer Fundus von Traditionen vor, jedoch gibt es häufig keine klaren Abgrenzungen und die verschiedenen Strömungen widersprechen oftmals einander. Ein in sich geschlossenes System als eine konkrete historische Religion liegt nicht vor.
Die Bezeichnung Hinduismus ist erst relativ spät entstanden. Anfangs war sie eine von außen herangetragene Sammelbezeichnung für die Anhänger verschiedener religiöser Richtungen auf demindischen Subkontinent, die nicht Muslime, Christen, Juden, Buddhisten oder Jainas waren. Der Begriff entwickelte bald eine beträchtliche Eigendynamik und wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter Englischsprachigen zur Eigenbezeichnung. Mit der Entwicklung der Hindutva zeigte er sogar Ansätze einer Ideologisierung. Die indische Verfassung definiert abweichend vom hier Gesagten den Hinduismus allerdings so, dass er auch Jainismus, Buddhismus und Sikhismus umfasst. Indologen und Religionswissenschaftler, die nicht von einer einheitlichen Religion, sondern von verwandten Religionen sprechen, benutzen häufig auch den Begriff Hindu-Traditionen oder Hindu-Religionen anstatt Hinduismus. Jedoch verfügen diese weder über ein gemeinsames Glaubensbekenntnis noch über eine zentrale Institution, die Autorität für alle Hindus hätte.
Die Lehren über spirituelle Belange und sogar die Gottesvorstellungen sind in den einzelnen Strömungen sehr verschieden, auch die Ansichten über Leben, Tod und Erlösung (Moksha) stimmen nicht überein. Die meisten Gläubigen gehen jedoch davon aus, dass Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf (Samsara) sind, und glauben an eine Reinkarnation. Für den persönlichen Glauben haben religiöse Lehrer (Gurus) oft einen großen Stellenwert. Nur einzelne Richtungen gehen auf einen bestimmten Gründer zurück. Trotz aller Unterschiede können Hindus der verschiedenen Richtungen weitgehend gemeinsam feiern und beten, auch wenn ihre Theologie und Philosophie nicht übereinstimmt. „Einheit in der Vielfalt“ ist eine oft verwendete Redewendung im heutigen Hinduismus.
Geschichte des Hinduismus
Vedische Religion
Die ältesten heiligen Schriften des Hinduismus sind die Veden. Nach ihnen benannt ist die vedische Religion, die eine der frühesten Quellen des Hinduismus darstellt. Die Veden haben im heutigen Hinduismus in Bezug auf deren Inhalte keine große Bedeutung, jedoch gelten sie als Synonym für absolute und unangreifbare Wahrheiten. Nach einer Theorie, die von Max Müller aufgestellt wurde, wanderten um 2000 v. Chr., am Ende der Indus-Kultur, arische Stämme nach Nordindien ein, die den weiteren kulturellen Verlauf maßgeblich prägten. Einige indische Historiker sind jedoch der Meinung, dass die Arier ein schon ansässiger Stamm gewesen seien, der zu dieser Zeit die Oberherrschaft erlangen konnte. Zu den ältesten erhaltenen Schriften Indiens gehören der Rigveda, der Samaveda, der Yajurveda und der Atharvaveda sowie einige astronomische Texte. Die ältesten indischen Texte können nicht mit Bestimmtheit datiert werden. Sie erlauben einen Einblick in das frühe religiöse Leben, das von Tier- und Pflanzenopfern, rituellen Waschungen und Hymnen an die Götter bestimmt war. Noch heute im Hinduismus bekannte Götter (Vishnu, Brahma, Saraswati) werden dort bereits verehrt, wenngleich sie damals noch nicht zu den Hauptgottheiten zählten.
- Der Rigveda enthält Hymnen, um die Götter zu preisen und anzurufen. Er ist von allen Vedas der älteste, die anderen drei Veden entlehnen etliche Inhalte aus dem Rigveda.
- Der Samaveda besteht aus Gesängen, die die Opfer musikalisch begleiten.
- Der Yajurveda enthält Prosaverse, die bei Opferriten rezitiert werden.
- Der Atharvaveda enthält Mantras und Beschwörungen gegen Feinde und Krankheiten sowie Gebete zur Vergebung von Fehlern während der Opferzeremonie.
Die frühe vedische Religion kannte keine Tempel oder Götterbilder. Die Götter wurden durch Feueropfer angebetet, man bot Opfergaben des heiligen Safts Soma, Ghi (Butterschmalz), Milch, Brot und manchmal Fleisch der Tiere dar.
Der Hinduismus ist eine Verschmelzung von mehreren verschiedenen religiösen Systemen: den altindischen Religionen und der Religion der vermutlich aus dem Norden eingewanderten Arier. Große Teile der Urbevölkerung Indiens, deren Geschichte weitgehend im Dunkeln liegt, wurden wahrscheinlich im Laufe der Zeit immer weiter in den Süden verdrängt. Aus dieser Kultur könnten Elemente wie die Verehrung von Göttinnen, heiligen Tieren und der Lingamkult stammen. Im Rigveda (auf ca. 1200 v. Chr. datiert, Datierung unsicher) der Arier hingegen werden die Götter teilweise als personifizierte Naturkräfte beschrieben, die Texte erzählen von Gold, Rindern und Kämpfen und fragen nach dem Wesen des Göttlichen. „Dem, das Eine Wahrheit ist, geben die Weisen viele Namen, sie nennen Es Agni, Yama, Matarishvan.“ Vorstellungen von Karma, Moksha und Reinkarnation waren der vedischen Religion fremd. Das Jenseits verstand man als aus verschiedenen Himmeln bestehend. Ab der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. wird die vedische Religion als Brahmanismus bezeichnet, da sich die religiöse, politische und ökonomische Macht in den Händen der Priesterschaft, der Brahmanen, befand.
Zeit der Upanishaden
In der nächsten Entwicklungsstufe (ca. 800 v. Chr) erhielt die Brahmanenkaste durch komplizierte Rituale einen hohen Grad an Einfluss. Eine Neuausrichtung beginnt in der Zeit der Upanishaden (700 v. Chr. bis 500 v. Chr.). Sie wird bereits sichtbar in den Brahmanas und den Aranyakas und zeigt sich dann in der Philosophie der Upanishaden. Die Unterteilung in diese drei Textgattungen folgt der indischen Tradition, allerdings sind die Grenzen zwischen diesen Textsorten fließend. Die Brahmanas entwickeln eine komplizierte Opfertheologie, die Aranyakas („Wald- oder Wildnisbücher“) behandeln Geheimlehren, die nicht in den Siedlungen, sondern außerhalb (eben im Wald) diskutiert wurden, und die Upanishaden enthalten mystische Spekulationen. Sie umfassen etwa 250 Schriften, die über mehrere Jahrhunderte entstanden sind und Themen wie Wiedergeburt, Yoga und Karma ansprechen. Diese Texte treten mehr und mehr in den Vordergrund und damit auch die Brahmanen, für die “[das] vedische Wissen zum beruflichen Besitz und zur wirtschaftlichen Existenzgrundlage […] geworden [ist].” Insbesondere die 13 vedischen Upanishaden haben den späteren Hinduismus geprägt. Das wird auch daran deutlich, dass “Veda” heute in Indien meist nur noch die Upanishaden bezeichnet.
Klassische Zeit
Das Ende der Upanishadenzeit wird oft als ein Einschnitt angesehen: Die Zeit davor wird in der Indologie gewöhnlich Brahmanismus genannt, und Hinduismus bezeichnet dann ausschließlich die nachfolgende Zeit. Seit 500 v. Chr. erfuhr der Hinduismus wahrscheinlich seine bis heute überlieferte wesentliche Ausgestaltung. Die Sprache der Überlieferung war Sanskrit, eine indogermanische Sprache, verwandt mit den europäischen Sprachen. Als Hauptgötter galten nun Brahma, Vishnu und Shiva, und es wurden Tempel gebaut, Götterstatuen aufgestellt und viele Kult- und Weihehandlungen entstanden. Krishna und Rama, nach Hinduglauben menschliche Verkörperungen des Gottes Vishnu, erscheinen in der epischen Literatur zwischen 200 v. Chr. und 400 n. Chr. Das Ramayana und das Mahabharata sind umfangreiche und noch heute vielgelesene Dichtungen dieser Periode. Der wichtigste Teil des Mahabharata ist das Lehrgedicht Bhagavad Gita. In diese Zeit fällt auch die Ausformung einer Vielzahl von Glaubensrichtungen, die einzelne Götter speziell verehren (beispiels- weise Shaktismus, Shivaismus und Vishnuismus), sowie eine Kodifizierung der brahmanischen Lehre im Dharma Sutra und dem Dharma Shastra. Seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. verloren die hinduistischen Religionen durch den Buddhismus zwar Anhänger, sie gingen jedoch nie ganz unter und wurden ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. von den damaligen Königen wieder bevorzugt. Die darauf folgende Zeit von 400 bis 1000 ist durch die Puranas und eine Vielzahl historischer, mythologischer und lehrender Schriften charakterisiert. In diese Zeit fällt auch der Beginn tantrischer Traditionen. Im 8. Jahrhundert systematisierte der Philosoph Shankara die Lehre des Vedanta. Vier seiner Schüler gründeten die ersten hinduistischen Orden, deren Vorsteher bis heute Shankacharya genannt werden.
Neohinduismus
Im 19. Jahrhundert entstanden in Indien verschiedene religiös-soziale Reformbe-wegungen, die aus der Begegnung Indiens mit Europa hervorgegangen sind. Das Kastensystem oder die Tradition der Witwenverbrennung wurden auch innerhalb des Hinduismus verstärkt hinterfragt. Im Zuge dieser Entwicklung begannen Hindus sich als Einheit aufzufassen (was vorher nicht in dem Maße der Fall gewesen war). Von Anfang an war der Neohinduismus mit den Unabhängigkeitsbestrebungen verbunden. Die christlichen Missionare in Indien bewirkten weniger ein Konvertieren zum Christentum als eine Auseinandersetzung mit der eigenen Religion. Die Übersetzungen der europäischen Indologen von Sanskrit in Englisch in gedruckter Form hatten zur Folge, dass das traditionelle Schriftgut auch in Indien einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde. Mehrere Organisationen formierten sich in dieser Zeit. Der Brahmo Samaj (gegründet 1828 von Ram Mohan Roy in Kalkutta) entwickelte einen monotheistischen Ansatz und sah im absolut formlosen Brahman den einen und einzigen Gott, das höchste Wesen. Der Arya Samaj (gegründet 1875 von Dayananda in Mumbai) wollte den Hinduismus von späteren Einflüssen befreien, die er als Verfälschungen ansah, wie z. B. den Puranas. Er lehnte den Polytheismus und das Kastensystem ab und sah nur den Veda als Quelle der Offenbarung an. Beide Organisationen wandten sich gegen die Bilderverehrung und strebten soziale Reformen an.
Nach dem Vorbild der christlichen Mission gründete Swami Vivekananda 1897 die Ramakrishna-Mission, mit dem Ziel, die Lehre des Vedanta, den er als Vollendung der Religionen betrachtete, auf der ganzen Welt zu verbreiten. Sein Lehrer Ramakrishna vertrat die Ansicht, alle Religionen der Welt verkündeten dieselbe Wahrheit, die Vielfalt der Religionen sei lediglich Schein (Maya). Die Rede Vivekanandas vor dem Weltparlament der Religionen 1893 in Chicago, in der er erstmals den Hinduismus als Universalreligion vorstellte, war die erste Gelegenheit, bei der sich der Hinduismus außerhalb Indiens präsentierte. Die Unabhängigkeitsbewegung Indiens unter Mahatma Gandhi mit seinem gewaltfreien Widerstand auf Basis seiner Grundhaltung Satyagraha trug zu einem größeren Interesse an hinduistischen Traditionen in der westlichen Welt bei.
Formen des Hinduismus
Der Indologe Axel Michaels unterscheidet drei Formen hinduistischer Religionen, die jedoch nicht allgemein anerkannt sind:
- Brahmanischer Sanskrit-Hinduismus: teils polytheistische, teils monotheistische, sehr starkritualistische, brahmanische Priesterreligion mit Berufung auf die Veden als Autorität. Diese Religion steht im Vordergrund der meisten Abhandlungen über den Hinduismus und wird von den meisten Bevölkerungsgruppen als am prestigeträchtigsten anerkannt.
- Hinduistische Volks- bzw. Stammesreligionen: polytheistische, teilweise animistische Religionen mit lokalen, gemeinschaftlichen und kastenübergreifenden Festen und Verehrungsformen sowie oralen Traditionen oder Texten in den Volkssprachen. Diese Religionen haben eigene Priester und nur lokal verehrte Gottheiten, einschließlich vergöttlichter Helden und Geister, von denen Menschen besessenwerden können. Die Verehrungsformen gelten dem brahmanischen Sanskrit-Hinduismus oft als unrein.
- Sektenreligionen:
- Vishnuitisch: Srivaishnava, Pancharatra, Ramanandi, Naga, Tyagi etc.
- Shivaitisch: Dashanami, Natha, Pashupata, Aghori
- Synkretistisch: Smarta, Arya Samaj, Brahmo Samaj, Ramakrishna und Vivekananda etc.; „missionierende“ Guru-Religionen: Sathya Sai Baba, Mata Amritanandamayi, Maharishi Mahesh Yogi etc.
Gleichfalls unterscheidet Michaels vier Formen der hinduistischen Religiosität und Frömmigkeit, die sich übergreifend in den unterschiedlichen Gruppierungen des Hinduismus finden lassen:
- Ritualismus beinhaltet z. B. vedisch-brahmanische Rituale, Tempelrituale, Kastenrituale oder Rituale des Tantra.
- Spiritualismus bezieht sich auf Erlösungslehren, deren Ziel die individuelle Befreiung (Moksha) ist. Diese finden sich beispielsweise im Vedanta, im Shivaismus, im Guruismus und im Tantra.
- Devotionalismus bezieht sich auf die hingebende, mystische Verehrung eines Gottes. Hier spielen besonders Lieder und mythologische Texte, Poesie, Musik und Tanz eine Rolle. Diese Form der Religiosität zieht sich durch alle Kasten und wird auch vor allem von Frauen ausgeführt. Man findet diese Form vor allem auch in Bhakti und Vishnuismus.
- Heroismus bezieht sich auf eine Religionsform, die Helden- und Heldentod deifiziert und mystifiziert und militärischen Traditionen verhaftet ist. Totenkulte können gleichfalls vorkommen. Beispiele dieser Form sind der Ramaismus, militante Yogis und teilweise der politische Hinduismus.
Andere Einteilungen des Hinduismus richten sich z. B. nach historischen Kriterien, nach der geographischen Verbreitung, nach dem Glauben an die verschiedenen Gottheiten oder den Formen der Überlieferung.
Glaubensrichtungen und Lehre
Der Hinduismus kennt keine gemeinsame Gründerperson. Jede Glaubensrichtung hat eigene nur für sie verbindliche heilige Schriften: z. B. Vishnuiten das Bhagavatapurana, Shaktianhänger das Devi Mahatmya, ein puranisches Werk zur Verehrung der Göttin. Die Veden werden übergreifend von vielen Hindus als heilig angesehen. Entgegen dem ersten Anschein ist der Hinduismus keine polytheistische Religion. Viele westliche Religionswissenschaftler und Indologen bezeichnen ihn, obwohl der Begriff umstritten ist, als Henotheismus, da alle Götter – je nach individueller Glaubensausrichtung – Ausdruck des einen höchsten persönlichen Gottes oder auch der unpersönlichen Weltseele (Brahman) sein können.
Obwohl der Hinduismus aus unterschiedlichen Strömungen besteht, gibt es Gemeinsamkeiten, die in den meisten Richtungen vorliegen, die als eine Reihe von Leitgedanken und Grundsätzen erscheinen. Hinduistische Lehren betrachten den Kosmos als geordnetes Ganzes, das vom Dharma, dem Weltgesetz, welches die natürliche und sittliche Ordnung darstellt, beherrscht wird. Dharma bedeutet Recht, Pflicht, Ordnung und bezieht sich darauf, dass jedes Wesen sich so zu verhalten hat, wie es seinem Platz in der Welt entspricht. Zyklen des Werdens und Vergehens (Kalpa) der Welt bilden eine andere wichtige Grundlage hinduistischer Traditionen. In diesen Zyklen gibt es keinen Schöpfungsanfang und keine endgültige Vernichtung des Universums und des Daseins. Andere allgemein verbreitete Konzepte sind Karma, Atman und Moksha. Zentrale Praktiken sind Bhakti und Pujas. Samskaras sind hinduistische Sakramente, welche die Übergänge zwischen den einzelnen Abschnitten des Lebenszyklus rituell gestalten. Von diesen gibt es ca. 40 und die drei wichtigsten sind Initiation, Hochzeitsriten und Totenriten. Zentren hinduistischer Religiosität sind neben dem eigenen Haus die Tempel. Einer der größten Tempelkomplexe und Pilgerzentren ist Tirumala Tirupatiin Südindien. In Nordindien zieht die heilige Stadt Varanasi am Ganges immer wieder Unmengen von Pilgern an.
Gottesbild
Die verschiedenen hinduistischen Traditionen und Philosophien vertreten unterschiedliche Gottes- bilder, Hauptrichtungen sind jedoch Shivaismus, Vishnuismus sowie Shaktismus, die Verehrung Gottes in weiblicher Form. Daneben gibt es auch die indische Volks-religion. Brahma, Shiva und Vishnuwerden auch als Dreiheit (Trimurti) dargestellt. Die Verehrung von Shiva und Vishnu, jeweils in unzähligen verschiedenen Formen und Namen, ist weit verbreitet. Brahma dagegen ist nur noch in der Mythologie präsent, in der Verehrung spielt er fast keine Rolle mehr; seine Stelle nimmt seine Shakti ein, die Göttin Saraswati. Daneben gibt es aber unzählige andere Manifestationen, z. B. den elefantenköpfigen Ganesha, der als Sohn von Shiva und Parvati gilt, sowie Hanuman, der Diener Ramas, der wiederum ein Avatar von Vishnu ist. Es gibt auch eine große Zahl weiblicher Gottheiten, die entweder als „Große Göttin“ (Mahadevi) autonom auftreten wie etwa Durga oder als Gemahlinnen bzw. weibliche Seite der männlich gedachten Götter gelten, z. B.Sarasvati und Lakshmi. Die meisten Gläubigen gehen davon aus, dass die Anbetung eines jeden Gottes dem Anbeten des höchsten Göttlichen entspricht, da alle Erscheinungsweisen des Einen seien. Andere dagegen verehren das Höchste nur in einer Form, wie etwa viele der Anhänger Krishnas, und betrachten die anderen Götter als ihm untergeordnete Devas. Die Verehrung des Göttlichen in Bildern und Statuen ist weit verbreitet, jedoch lehnen viele Hindus, wie z. B. die Lingayats, die Verehrung in dieser Form strikt ab. Neben den Hauptgöttern gibt es noch unzählige andere Gottheiten, von denen viele nur lokal verehrt werden.
Das Gottesbild des Hinduismus kennt sowohl Götter als auch mit dem monotheistischen Gottesbegriff vergleichbare Vorstellungen. Von den indogermanisch ererbten Grundzügen her bestehen Zusammenhänge, die auch den Begriff „Gott“ betreffen. Manche Strömungen des Hinduismus glauben an einen obersten Gott, benannt als Ishvara (wörtlich „der höchste Herr“). Es gibt auch ihm unterstellte Wesen, die Devas genannt werden. Sie können als Götter, Halbgötter, Engel, himmlische Wesen oder Geist angesehen werden und stehen zwischen dem Ishvara und den Menschen. Einer der wichtigsten Begriffe im Hinduismus ist das Brahman – der höchste kosmische Geist. Brahman ist die unbeschreibbare, unerschöpfliche, allwissende, allmächtige, nicht körperliche, allgegenwärtige, ursprüngliche, erste, ewige und absolute Kraft. Es ist ohne einen Anfang, ohne ein Ende, in allen Dingen enthalten und die Ursache, die Quelle und das Material aller bekannten Schöpfung, rational unfassbar und doch dem gesamten Universum immanent. Die Upanishaden beschreiben es als das Eine und unteilbare ewige Universalselbst, das in allem anwesend ist und in dem alle anwesend sind. Diese unpersönliche Vorstellung von Gott wird ergänzt oder ersetzt durch die Sichtweise auf einen persönlichen Gott, wie es beispielsweise in der Bhagavadgita geschieht. Hier wird der persönliche Gott, der Ishvara oder höchste Purusha, über die Welt der Erscheinungen und den „unbeweglichen“ Brahman gestellt.
Nach Auffassung des Advaita Vedanta ist der Mensch in seinem innersten Wesenskern mit dem Brahman identisch. Dieser innere Wesenskern wird auchAtman genannt. Diese Identität kann prinzipiell von jedem Menschen erfahren bzw. erkannt werden. Advaita Vedanta (Nichtdualität) ist die Lehre Shankaras (788–820 n. Chr), die auf diese Erkenntnis der Einheit zielt und die Erscheinungen der Welt als Maya bezeichnet. Nach Lehre des Vishishtadvaita (qualifizierter Monismus) von Ramanuja dagegen ist Gott alles was existiert, es besteht jedoch ein qualitativer Unterschied zwischen individueller Seele und höchstem Gott. Am anderen Ende des Spektrums steht die rein dualistische Philosophie desDvaita Vedanta des Madhvas, die streng zwischen Seele und Gott unterscheidet (siehe Indische Philosophie). Die Theologie des Hinduismus ist nicht von der Philosophie getrennt, und so erscheinen die Saddarshana, die sechs klassischen Systeme der indischen Philosophie, auch als theologische Konzepte. Diese sind Nyaya, Vaisheshika, Samkhya, Yoga, Purva Mimamsa und Vedanta.
Die heiligen Schriften
Schriften liegen im Hinduismus in einer großen Vielfalt vor. Hinduistische Schriften wurden sowohl auf Sanskrit als auch in allen anderen indischen Sprachen geschrieben. Neben schriftlichen Zeugnissen gibt es auch mündlich tradierte Texte. Diese Schriften und Texte haben z. B. eine rituelle Funktion, enthalten religiöse Ideen und Konzepte, und viele von ihnen werden als heilig angesehen. Der Ausdruck heilige Schriften ist nicht hinduistisch und entstammt einer westlichen Terminologie. Die Schriften und oralen Texte, die als heilig angesehen werden, sind nicht einheitlich, sondern werden dadurch definiert, dass religiöse Gruppierungen diese unterschiedlichen Texte als heilig ansehen. Sowohl die Form der Texte als auch Inhalte und Verwendung unterscheiden sich dabei in den verschiedenen Gruppierungen. In Hinduismus gibt es unterschiedliche Klassifizierungen von Schriften. Das bedeutet, dass die Einordnung der Schriften unter bestimmte Kategorien nicht einheitlich ist. Zudem können auch viele Schriften nicht datiert werden. Viele Schriften wurden auch noch nicht editiert, Übersetzungen liegen oft nicht vor.
Hauptrichtungen
Die wichtigsten Strömungen innerhalb des Hinduismus sind der Vishnuismus, der Shivaismus und der Shaktismus, daneben gibt es eine regional und lokal verbreitete indische Volksreligion. Vishnuiten glauben, dass ihr höchster Gott Vishnu sich in mehreren Inkarnationen (Avatara) in der Welt manifestiert hat. Vishnu inkarniert sich vor allem dann in der Welt, wenn die kosmische Ordnung (Dharma) gefährdet ist und seiner Rettung bedarf. Zu den klassischen zehn Inkarnationen zählen unter anderem Rama und Krishna. Die Idee der Inkarnationenlehre ist, dass Vishnu das höchste göttliche Prinzip ist, das alle anderen Gottheiten und die materielle Welt hervorbringt. Einige Schulen des Vishnuismus verkörpern eine monistische Sichtweise, andere dagegen vertreten eine monotheistische Sicht, z. B. viele Anhänger Krishnas. Im Vishnuismus spielt die Hingabe an einen persönlichen Gott (Bhakti) meist eine größere Rolle als im Shivaismus. Shivaiten gehen davon aus, dass Shiva der Höchste sei, der alle anderen Götter an Macht überragt und sie zudem erschaffen hat. Shiva gilt als Gott der Asketen, der im Himalaya meditiert und in periodischen Zyklen die Welt zerstört, um sie wieder neu zu erschaffen. Shiva wird, mit Ausnahme seiner Erscheinungsform als Nataraja, meist nicht in anthropomorphen Formen, sondern eher in seinem Symbol, dem Lingam, verehrt. Shivaiten können Dualisten, wie im Shaiva Siddhanta, oder Monisten im Sinne Shankaras oder auchTantriker, wie im Shivaismus Kaschmirs, sein. In manchen Strömungen des Shivaismus spielt Yoga eine große Rolle. Im Shaktismus werden weibliche Gottheiten wie Durga, Devi oder Kali als wichtigste Hauptgottheit angesehen.
Wiedergeburt und Erlösung
Götter, Menschen und Tiere durchwandern nach hinduistischer Glaubensvorstellung in einem durch ewige Wiederkehr gekenn- zeichneten Kreislauf, Samsara, die Welt- zeitalter, Yuga. Während des Lebens wird je nach Verhalten gutes oder schlechtes Karma angehäuft. Dieses Gesetz von Ursache und Wirkung von Handlungen beeinflusst nach hinduistischer Vorstellung zukünftige Reinkarnationen und die Erlösung (Moksha), das Aufgehen des Atman (das innewohnende Brahman). Es ist nur bedingt zu vergleichen mit der Seele, da die Seele etwas Individuelles (also bei jedem verschieden) und das Atman immer das gleiche ist im „kosmischen Bewusstsein“ (Brahman). Die persönliche Erleuchtung ist der Endpunkt der Entwicklung des Geistes, und je nach Realisation des Suchenden kann diese, neben anderen Wegen, durch die klassischen drei Methoden erreicht werden: Bhakti Yoga, die liebende Verehrung Gottes, Karma-Yoga, den Weg der Tat, sowie Jnana Yoga, den Weg des Wissens. Oft zählt man als vierten Weg Raja Yoga, den „Königsweg“ hinzu.
Möglicherweise auch als Reaktion auf den Vegetarismus im Buddhismus und auf die gestiegene Bedeutung von Ahimsa, der Gewaltlosigkeit, forderten die hinduistischen Schriften verstärkt den Verzicht auf Fleischverzehr. In vedischen Zeiten waren die Lebensumstände noch völlig anders. In einigen Schriften gibt es Hinweise, dass Fleisch, selbst Rindfleisch, gegessen wurde, wobei es sich aber stets um das Fleisch von Opfertieren gehandelt haben dürfte. Allgemeiner Vegetarismus ist für Hindus weder eine Forderung noch ein Dogma, jedoch wird die vegetarische Lebensweise als die ethisch höhere angesehen, da Fleisch ein Produkt der Tötung ist und nicht sattvic (rein). Vegetarier sind in allen Bevölkerungsschichten zu finden, besonders wird der Verzicht von Brahmanen erwartet. Prinzipiell lehnen aber fast alle Hindus den Genuss von Rindfleisch ab. Nach dem Zensus von 2004 sind etwa 25 % der indischen Bevölkerung Vegetarier. Dabei gibt es allerdings große Schwankungen zwischen den einzelnen Bundesstaaten; so ernähren sich etwa 69 % der Einwohner in Gujarat und 60 % in Rajasthan vegetarisch, dagegen in Tamil Nadu nur 21 %.
Verbreitung
Der Hinduismus ist heute in Indien, Nepal, Bangladesch, Sri Lanka, Bali und selbst in Guyana, Mauritius, Südafrika, Fidschi, Singapur, Malaysia, Suriname und Trinidad und Tobago verbreitet sowie in Europa besonders in Großbritannien. Dies erfolgte größtenteils durch Händler und indische Arbeiter, die im 19. und 20. Jahrhundert einwanderten. Des Weiteren erfolgte in den letzten Jahrzehnten eine Einwanderung indischer Gastarbeiter in die arabischen Staaten am Persischen Golf.